»Malen ist wie ein Gefecht zwischen den Gefühlsströmungen«
In unserer neuen Interview-Serie widmen wir uns diesmal der Malerei. Für unser zweites Interview haben wir eine Künstlerin aufgesucht, deren chaotisch abstrakte Werke es uns angetan haben. Bei Sonnenschein, Kaffee und Kuchen erzählt sie uns, warum der Laie beziehungsweise das Kind der beste Künstler ist und warum jedes Werk die Suche nach einem Ursprung beinhaltet.
Frau Nopulus, wie gehen Sie an ein neues Projekt heran, wie sieht Ihr Schaffensprozess aus?
„Mein Schaffensprozess ist wenig glamourös. Bei mir kommt nicht zuerst die Idee, die mich zum Pinsel greifen lässt. Ich nehme mir vor zu malen, stelle mich vor meine Leinwand und weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich überlege. Meistens fällt mir nichts ein. Das erzeugt eine gewisse Spannung in mir. Das Nichts ist schwer auszuhalten. Diese Spannung ist wie ein Zündfunke. Meine ersten Pinselstriche sind keine Idee, keine Vision, sondern ein Ausdruck nervöser Energie. Ist der Anfang gemacht, geht es meist wie von allein. Jeder neue Pinselstrich, jede Farbwahl ist eine Reaktion auf den Vorherigen. Es ist wie ein Gefecht zwischen den Gefühlsströmungen, die ich selbst in mir auslöse. Meine Hand bewegt sich dann meist sehr intuitiv.“
Welches ist Ihr Lieblingswerk?
„Das wechselt ständig. Meist verliebe ich mich in das Gemälde, das ich gerade male und entferne mich wieder von ihm, wenn es fertig ist. Es gibt aber auch Tage, da liege ich im Clinch mit meinem aktuellen Werk. Dann brauche ich Abstand oder sogar einen Gegenpol, den ich manchmal in früheren Werken finde. Trotz aller Intuition ist das Malen für mich nicht nur etwas ursprüngliches, sondern hat auch einen suchenden Charakter. Ich suche etwas in mir. Den Ursprung zu dem, was mich antreibt. Meine Pinselstriche sind die Antworten, die ich finde.“
Was beeinflusst Ihre Wahl des Materials und der Technik?
„Ich mag es nicht, auf Leinwänden zu malen. Holz wird der Rohheit und Rustikalität meines Schaffens besser gerecht. Manchmal finde ich größere Stücke Treibholz. Sie sind die perfekte Projektionsfläche für mich. Bei der Technik kommt es nicht darauf an, was ich besonders gut kann oder gelernt habe, sondern wie sie sich in ihrer Ausführung anfühlen. Wenn das schwungvolle Pinselschwingen mir selbstgefällig und falsch vorkommt, greife ich zum Spachtel oder Messer.“
Welchen der Bezug der Nutzer zu Ihren Objekten wünschen Sie sich? Wie wollen sie ihre Werke verstanden wissen?
„Ich wünsche mir, dass der Betrachter das Bild keiner akademischen Analyse unterzieht. Ich will auch nicht, dass er versucht, meine Motivation nachzuvollziehen. Mir ist vielmehr daran gelegen, dass im Betrachter etwas evoziert wird, ein Gefühl beispielsweise oder eine Assoziation, der er sich hingeben und sie in sich selbst erkunden kann. Kommentare wie, „Oh, das ist aber schön!“, sind mir zuwider. Keine Reaktion, Innehalten und Erstarrung sind für mich das höchste Lob und eine große Genugtuung.“
Haben Sie Vorbilder und welche Rolle spielen Sie für Sie?
„Meine Vorbilder sind meine Kinder. Sie sind furchtlos und bewegen sich aufs Geratewohl in die Welt hinein. Beinahe Alles wird körperlich übersetzt und umgewandelt. Sie machen sichtbar, was wir verbergen. Wie wir verarbeiten, integrieren, wüten und lieben – alles, was wirklich von Bedeutung ist, erfährt in ihrer Welt einen für jedermann sichtbaren, wenn auch nicht immer entschlüsselbaren Ausdruck. Ihre Sprache ist die Sprache des Herzens. Sie beeindruckt mich und ich versuche mich so gut es geht an ihnen zu orientieren.
Wie feiern sie den Abschluss eines Bildes?
Ich stelle es beiseite und gehe eine Runde schwimmen. Mit der Arbeit endet auch ein eine Episode, eine Beziehung und eine Leidensgeschichte. Ich lasse mich erstmal treiben und sage Auf Wiedersehen und gewinne Abstand. So schaffe ich Raum für Neues.