Maximalismus – Was mit dem neuen Einrichtungstrend auf sich hat
Zeig mir, was du hast! Nicht nur in der Modewelt bricht langsam aber sicher eine neue ästhetische Philosophie durch: Der Maximalismus stellt den viel praktizierten und auch von uns gepredigten Minimalismus radikal infrage. Was macht ihn aus und wird die Strömung von Dauer sein? Wir haben für dich analysiert, in welcher Form er sich in die Welt des Interior Design einbringen wird.
Was ist Maximalismus
Maximalismus darf durchaus als Gegenbewegung zum Minimalismus verstanden werden, sowohl in Ausdruck als auch ideologisch betrachtet. „Mehr ist tatsächlich mehr“, könnte ein Leitspruch sein, der den Maximalismus vielleicht am besten beschreibt. Dieses „Mehr“ kann auf vielerlei bezogen sein und steht in seiner Essenz für Überschwang und Exzess. Visuell drückt sich Maximalismus in Laut- und Buntheit, aber auch im Hang zur Dissonanz und zum Stilbruch aus. Das Ergebnis ist schrill, oft aufmerksamkeitsheischend und betont gerade durch ihren Hang zur Exzentrik Individualität.
Abgrenzung und Einordnung
Sie steht damit dem zurückhaltenden, reduktionistischen Minimalismus diametral entgegen: Eine Reaktion auf die teils entpersonalisierende Ästhetik des Minimalismus.
Einige Attribute des Maximalismus wie zum Beispiel die Kraft in Ausdruck und Farbe erinnern an den Barock. Wenn die Stile auch verwandt scheinen, gibt es einen entscheidenden Unterschied: Während der Maximalismus bereit ist, die Harmonie partiell über Bord zu werfen, wird diese Grenze beim Barock nur ausgelotet, jedoch nicht überschritten.
Trotz seines Spiels mit dem Stilbruch darf der Maximalismus ebenso nicht als Weiterentwicklung des Eklektizismus verstanden werden. Es geht nicht darum, Stile nebeneinander bzw. gegenüberzustellen, sondern innerhalb eines ästhetischen Schemas absichtlich Störungen einzubauen.
So ist der Trend entstanden
Ist man auf der Suche nach dem Ursprung der Maximalismuswelle, landet man wie so oft auf TikTok. Die sozialen Netzwerke und TikTok im Besonderen sind wie prädestiniert visuell innovative Anstöße in ihrer Verbreitungskraft zu potenzieren. Mehr noch als auf Instagram fühlt sich die Generation Z als Community. Hier diskutiert sie ihren Versuch, sich gegenüber vergangenen Generationen auch stilistisch abzusetzen. Der Maximalismus kann so durchaus auch als „ich möchte nicht leise sein“ verstanden werden. Inklusive der farblichen Energie, die mit dieser natürlichen Revolte einhergeht.
Dass es mit der androgynen Zurückhaltung vorbei ist, hat schon die Rückkehr des Y2K unüberhör bzw. -sehbar verlauten lassen. Ein weiterer Faktor ist die voranschreitende Entwicklung des Genderbegriffs und der sich verändernden Wahrnehmung psychosexueller Identitäten. Dazu kommt eine neue Offenheit gegenüber Einflüssen der queeren Community. Die neue Buntheit lässt sich längst mit neuen Männlichkeitsidealen vereinbaren. Schwarz ist nicht das neue Schwarz und Zurückhaltung keine Zier. Der Maximalismus in seiner aktuellen Interpretation stellt sich als Synthese der psychedelisch angehauchten amerikanischen Mode der 70-er Jahre und der hedonistischen Lautheit der 90-er und 2000-er Jahre.
Der Maximalismus ist im Establishment angekommen
Gäbe es ein Wort des Jahres in der Fashionwelt, es würde dieses Jahr sicher Maximalismus lauten. Seit Anfang des Jahres befeuern sich die Industrie und das Feuilleton gegenseitig in der Bekräftigung, der Minimalismus habe ausgedient, das Zeitalter des Maximalismus sei gekommen. Eine selbsterfüllende Prophezeiung, die langsam auf die anderen gestalterischen Bereiche des Lebens überschwappt und sich mehr und mehr auch in den Bereich Interior Design einschleicht.
Maximalismus in der Einrichtung
Der Stil definiert sich nicht über eine Fortführung der immer gleichen Linienführung oder eines Farbschemas. Anders als beim Minimalismus ist nicht in fast jedem Einzelelement die DNA des Grundgedankens zu erkennen.
Um es vorwegzunehmen: Maximalistisch wohnen heißt nicht, seine Wohnung einzurichten wie Louis XIV das Schloss von Versailles. Ja, Velours in Bordeaux oder Pflaume ist erlaubt, aber du brauchst keine großen Goldrahmen für deine Spiegel, um dem Maximalismus zu frönen. Ebenso wenig musst du zwingend 27 verschiedene Stilrichtungen in einem Raum unterbringen. Erst mal lässt sich der Maximalismus in der Wohnung als Gebot verstehen, unsere Zurückhaltung aufzugeben und Überschwang und Temperament Ausdruck zu verleihen, anstatt ihm nur Raum zu geben. Die maximalistische Einrichtung entwickelt ein Eigenleben, während der minimalistische Raum lediglich die Bühne für deine Lebendigkeit ist. Der Maximalismus bedarf des ins Außentragens der Kraft deiner Persönlichkeit und damit eher eine Erweiterung deiner Persönlichkeit als ein teilnahmsloser Hintergrund. Leere und ästhetische Langeweile sind verpönt.
Was das „mehr“ beim Einrichten bedeutet
Auch bezogen auf die Einrichtung ist der Spruch „mehr ist mehr“ zu bemühen. Mehr Möbel, mehr Deko, kräftigere, volle Farben und mehr Muster vor allem in Form bunter Prints: Es wird voller, abwechslungsreicher und dynamischer. Eine gewisse Restruhe stellst du über wiederkehrende Pattern wie gleichen Elementen in Mustern und Abständen zwischen den ausgefallenen Elementen her, nur um die Ruhe mit einem schrillem Centerpiece oder Unregelmäßigkeiten in der Konstellation der Möbel wieder aufzubrechen. Ein schrägstehendes Sofa in der Raummitte, zwei verschiedenfarbige Wandtapeten an angrenzenden Wänden oder Bilderkombinatiomnen unterschiedlicher Stilrichtungen: Zwischen konträren Designelementen muss nicht mehr entschieden werden.
Pop-Art Kunst mit barocken Vintage-Möbeln kombinieren ist ausdrücklich erlaubt. Gerade Kunstwerken und Accessoires kannst du ein noch größeres Augenmerk einräumen als bisher. „Mehr“ bedeutet auch eine neue Vielheit und jede Menge Abwechslung.
Die Balance zwischen Überschwang und Ruhe
Wahllos sollte das Zusammenstellen natürlich trotzdem nicht erfolgen. Mustern kannst du ruhigere, große Farbflächen aus derselben Farbfamilie gegenüberstellen.
Damit sich trotz aller Buntheit eine gewisse Passung bzw. Harmonie einstellt, bedarf es eines ausreichenden Anteils an Gleichheit, Fortführung und Wiederholung. Weiße Wände, bunte Möbel aber ein zusätzliches weißes Dekoelement wie Kissen könnten eine Beispiel hierfür sein. Aber auch ein drittes vermittelndes Element wie Holztüren und Holzböden können Harmonie herstellen, während die im Vordergrund stehenden Einrichtungsgegenstände ihrend Unterschied betonen. Und ein weiterer Faktor ist nicht unterschätzen: Die Vielheit bzw. Vielfalt nivelliert Designclashes. In dieser Form ist der Maximalismus hier, um zu bleiben und wird uns lehren, der Fülle des Lebens auch optisch wieder mehr Ausdruck zu verleihen.
Quellen und weiterführende Links: vogue.de, nytimes.com, livingtec.com
Maximalismus für das Mehr im Raum