Eklektizismus – Mode oder Grundsatzfrage
Wie auch in der Kunst ruft das Thema Eklektizismus im Feld des Interior Design meist entweder großes Kopfschütteln oder euphorische Befürwortung hervor. Über das Kopieren, Kombinieren und Aneinanderreihen verschiedener ästhetischer Stile gehen die Meinungen auseinander.
Während manche den Eklektizismus unoriginell, unruhig und schlicht geschmacklos finden, beurteilen ihn andere als schöpferisch und abwechslungsreich. Obwohl seine Bedeutung für Architektur und Interior Design schwankt, steckt in dem Begriff zuallererst eine Grundsatzfrage an jeden, der seine Wohnung einrichten möchte: Soll sich meine Wohnung an einem einheitlichen oder an mehreren Stilen orientieren?
Was ist Eklektizismus?
Abstrakt betrachtet ist Eklektizismus das Heranziehen verschiedener Theorien, Positionen oder Argumente zu einer neuen Sichtweise oder einem übergeordneten Argument. Bezogen auf deine Wohnung ist Eklektizismus schlicht das Nebeneinander verschiedener Einrichtungsstile. Auf die Küchenzeile im Industrial Style folgt ein minimalistischer Essensbereich und an die Couchecke im Boho-Chic grenzt ein Arbeitsbereich im Landhaus-Stil an.
Wozu Eklektiszismus?
Stilrichtungen sind nicht einfach nur Ideen. Sie entstehen vor einem zeitgeschichtlichen Hintergrund. Der Industrial Style beispielsweise setzt sich aus Elementen zusammen, die die grobe Rustikalität und die kühle Effizienz der Epoche des Industrialismus betonen. Sie sind Verweise an den damals herrschenden Lebensstil und seine Anforderungen. Wenn du dich entscheidest, deine Wohnung ganz nach dem Industrial Style zu gestalten, unterwirfst du dich immer auch in Teilen dem way of life, den dieser Stil mit ästhetischen Mitteln wiederherzustellen versucht. Was aber, wenn der Stil zwar ein optischer Hingucker ist, sich aber auf Dauer zu erschlagend oder zu kalt anfühlt? Was, wenn er sich für einen Lebensbereich eignet, für den anderen aber nicht? Eklektizismus könnte deine Antwort sein.
Welche Motive es noch gibt
Deine Wohnung ist in verschiedene Lebensbereiche unterteilt, in denen du bestimmte Sachen erledigst. In ihnen wirst du dich unterschiedlich fühlen und auch fühlen wollen. Intuitiv werden bestimmten Stilrichtungen verschiedene Stimmungen in dir hervorrufen. Warum diese Verbindung nicht nutzen und gewisse Bereiche im jeweils passenden Stil gestalten? Wenn der Landhaus-Stil dich erdet oder dich beruhigt, könntest du in Erwägung ziehen, ihn im Schlafbereich einzusetzen.
Eklektizismus ist die Verbindung aus Fertigem, Schon-Dagewesenem. Daraus ergeben sich zwei große Vorzüge. Zum einen bietet sie Orientierbarkeit. Ein einzelner Stil ist bereits eine festgelegte Verbindung verschiedener Farben und Formen mit einer ganz bestimmten Wirkung, um die du weißt. Diese Verbindung gibt es und du musst sie nicht erfinden. Zum anderen erzeugt das eklektische Einrichten ein hohes Maß an Abwechslung und positiver Spannung, ohne dabei kunterbunt oder wahllos zu wirken.
Hat die Kombinierbarkeit Grenzen?
Wir finden ja und nein. Einrichtungen sollten sich immer auch im Dienst deines Lebensgefühls stehen und sind daher subjektiv. Wenn also barocke Stilelemente übergangslos auf postmodernen Minimalismus folgen, ist das nach allen Gesichtspunkten der Ästhetik eine schlechte Idee. Dass diese Kombination in deiner Wohnung nicht trotzdem Platz hat, heißt das noch lange nicht. Beachte jedoch folgende Aspekte:
- Interaktionseffekt: In Kombination können die Stile unter Umständen insgesamt ein Raum- oder Wohnklima schaffen, das du nicht beabsichtigt hast. Während sie für sich gesehen schön sind und ihrem Zweck dienen, wirken sie im größeren Raumkontext albern oder unruhig.
- Übergange: Stile gehen nicht nahtlos ineinander über. Mit der Verwendung mehrere Richtungen erschaffst du zwangsläufig Übergänge. Die Übergänge führen dazu, dass du die einzelnen Stile sehr bewusst wahrnimmst und deine Einrichtung vielleicht mehr im Vordergrund steht, als du es beabsichtigt hattest.
- ästhetische Barrieren: Mit der Reihung unterschiedlicher Stile errichtest du ästhetische Barrieren, die unter anderem bestimmen können, wie du deine Wohnung nutz und wie du dich in ihr bewegst.
- Kontrastierung: Wenn du Stile reihst, setzt du sie automatisch in ein Verhältnis. Dieser Stilvergleich bestimmt mit, wie du den einzelnen Stil im Raum wahrnimmst. Er steht nicht mehr für sich allein, seine Geltung eine andere. Futuristische Elemente können für sich gesehen sehr stylish und geschliffen wirken. In Kombination mit einem sehr nüchternen Rationalismus wirken sie eventuell albern.
Mit etwas Feingefühl verschafft dir eklektisches Einrichten genau das, was du brauchst: Die richtige Atmosphäre im richtigen Bereich, Flexibilität, Abwechslung und ein ausgewogenes, angenehmes Wohnklima, in dem sich die Stile genseitig ausbalancieren. Individuell wird die Einrichtung durch deine Kombinierarbeit ohnehin.